Workshop: Wie geht das? - Teil 15
Mono, Stereo, Surround. Während sich im heimischen Wohnzimmer die Anzahl der Kanäle immer weiter erhöht, gilt für den Live-Betrieb häufig "weniger ist mehr".

Kann weniger wirklich mehr sein? Welche Tonformate bringen live welche Vor- und Nachteile? Was gilt es zu beachten? Das soll Thema dieser monatlichen Workshop-Reihe sein.
Früher war vielleicht nicht alles besser, aber es war einfacher. Alle Musikanten spielten unplugged, jedes Instrument war eine "Punktschallquelle" und den Mixdown erzeugten die Musiker selbst.
Große Menschenmengen konnte man so nicht druckvoll mit Sound versorgen. Wer weiter weg saß, hörte weniger vom jeweiligen Instrument. Geändert hat sich dies erst, als Musik-Elektronik und Verstärker-Technik in den Konzertbetrieb kamen.
Woodstock ohne PA, undenkbar! Dank Strom, Röhre und Transistor sind nun ganz andere Pegel und Publikumszahlen möglich. Neue Berufe sind entstanden – doch damit leider auch ein Sack neuer Probleme. Mit diesem Workshop helfen wir euch, das richtige Tonformat für euren Live-Auftritt zu finden.
Mono oder Stereo?
Betrachtet man die Historie der Tonaufzeichnung (Recording) war der Schritt von Mono zu Stereo in den 1950ern revolutionär. Da wir als Menschen durch unsere zwei Ohren in der Lage sind, räumlich zu hören, ist die Schall-Lokalisation für den Musikgenuss wesentlich. Stereo setzte sich folglich bei Schallplattenfans schnell durch.
Wer denkt, Mono spiele im Alltag keine Rolle mehr, irrt. Zahlreiche Radios, Smartphones, Tablets, Actioncams und Laptops bieten auch 2015 nur Mono. Bei der Audio-Produktion überwachen Toningenieure deshalb die Mono-Kompatibilität mit einem Korrelationsgradmesser. Andernfalls würde sich der eigene Mix auf solchen Geräten sehr seltsam anhören. Aus diesem Grund besitzen auch viele Studio-Mischpulte immer noch einen "Mono"-Switch im Summenbus.
Über Musikproduktion in Stereo lässt sich endlos diskutieren, will man alle technischen, physikalischen, anthropologischen und künstlerischen Aspekte abdecken. In unserem Workshop geht es praxisnah nur um die Anwendung auf und vor der Bühne.
Ideale Stereo-Wiedergabe
Bei der wohlbekannten Stereo-Wiedergabe befindet sich der Zuhörer idealerweise an der Spitze eines gleichseitigen Dreiecks.
Was sich im heimischen Wohnzimmer oder im Homestudio noch gut realisieren lässt, gestaltet sich beim Live-Konzert deutlich schwieriger. Nur wenige eurer Fans werden die perfekte Postion an der Spitze
des Stereo-Dreiecks ergattern können. Die meisten stehen entweder näher am linken oder am rechten Lautsprecher und kriegen deshalb jeweils von einem Speaker mehr Signal ab, als vom anderen.
Stereo in der Praxis
Ein Live-Mix in Stereo kann funktionieren, wenn ihr einige Grundvoraussetzungen akzeptiert und vorher auf mögliche Probleme achtet.
Wer einmal im Symphoniekonzert rechts außen gesessen hat, wird mehr Cello und Kontrabass als Violinen gehört haben. Das schmälert aber nicht zwangsläufig das Hörvergnügen dieses räumlichen Klangkörpers.
Warum also nicht die linke und die rechte Bühnenseite unterschiedlich beschallen? Es gilt aber Folgendes zu berücksichtigen: Was im Studio perfekt ausbalanciert klingt, muss für die Bühne nicht optimal sein.
Komplexe Stereo-Setups wie Pingpong-Delays, Hallräume, harte Pannings, sehr breite Loops oder
Keyboardflächen sind die häufigsten Probleme im Stereo-Live-Betrieb.
Ihr dürft deshalb die Stereobreite problematischer Signale einschränken, ohne gleich einen Mono-Mix zu machen. Achtet auch auf Phasen-Auslöschungen. Das Gigabyte große Klavierpatch, der downgepitchte lndustrial-Loop oder Räume bei E-Drums sollten nicht zusammenfallen. Das kann passieren, wenn ihr die Stereobreite einschränkt oder testweise den Monoschalter betätigt.
Die beeindruckendsten Presets vieler Hersteller bedienen sich gerne einer ausgeprägten Stereowirkung. Leider stellen gerade diese tollen Sounds live oft ein Problem dar. Wirkliche Stereo-Sounds und Effekte sind, behutsam eingesetzt, das Sahnehäubchen auf eurem Live-Mix. Die lnstrumente, die den "Körper" eures Band-Sounds ausmachen, also Rhythmusgitarre, Bass, Schlagzeug, Keys, sind mit einer geringeren Stereo-Basis oder in Mono viel druckvoller.
Wenn ihr live ein FoH-Pult verwendet, welches sich durch ein Tablet fernbedienen lässt, dann nehmt beim Soundcheck verschiedene Publikumspositionen ein und achtet darauf, wie sich euer Mix im Stereo-Betrieb verhält.
Stereo und die Musiker

Ein weiterer Vorteil eines Stereo-Setups ist, dass ihr den Bühnen-Sound mit der PA besser ausgleichen könnt. Besonders bei kleinen und mittleren Venues dringt der Klang deutlich ins Publikum.
Der Gitarren-Amp auf der linken Bühnenseite wird dann mehr auf die rechte Box gelegt, während die
rechts platzierte Bläsersektion auf der linken PA-Seite mehr Unterstützung erhält.
So hören alle Zuschauer alle Instrumente besser und die eine Hälfte nicht nur Gitarren-Soli während die andere sich ausschließlich mit dem Saxophon begnügen muss. Digitalpulte mit ihren speicherbaren Presets für Pegel und Pannings sind für Soundcheck und Show eine Erleichterung Sie sollten aber immer auf die Location angepasst werden.
Mono in der Praxis
Das Thema Stereo im Live-Betrieb polarisiert regelmäßig. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Nicht das "ob" sondern das "wie" ist entscheidend.
Die sicherlich radikalste Position: Live-Mixing in Mono. Zwar baut der PA-Techniker auf jeder Seite der Bühne Boxen auf, vom FoH-Mischpult erhalten aber beide Seiten ein identisches Mono-Signal.
Keyboard-Sounds, Loops oder Gitarren-Delays werden mit dem Panorama-Regler in der Mitte platziert oder (besser) gleich in mono programmiert. Somit ist der Klang im Publikum deutlich homogener, aber halt auch nicht so räumlich.
Man verschenkt eine Dimension beim Mixen. Ist Mono deshalb die einzige Option?
Mehrkanal
Was für Filmliebhaber selbstverständlich ist, spielt auch bei Konzerten eine Rolle. Das Thema Surround-Sound im Live-Betrieb ist gar nicht so jung, wie man vermuten könnte.
Bands wie Pink Floyd oder Jean Michel Jarre experimentierten schon sehr früh mit Mehrkanal-Verfahren wie Quadrophonie oder Surround für ihre Shows.
Beeindruckende Hörerlebnisse für euer Publikum sind damit auf jeden Fall möglich, allerdings steigt nicht nur der Bedarf an Technik (zusätzliche Lautsprecher im Rücken des Publikums, Verstärker, Kabel, Mischpult) sondern auch das benötigte Know-how der Techniker und Künstler.
Ihr solltet euch im Vorfeld gut überlegen, was aus den hinteren Boxen kommen soll. Einige wenige atmosphärische Sounds und Samples sind hier meist zielführender als ein kompletter Band-Mix. Ihr wollt mit den hinteren Signalen schließlich euer Publikum nicht von eurer Performance vorne auf der Bühne ablenken.
Für Einsteiger empfiehlt sich deshalb kein komplexes Mehrkanal-Setup. Sammelt lieber Erfahrungen in Mono und Stereo, und wagt euch erst dann an das Thema Surround.
Fazit des Workshops
Ganz gleich für welches Verfahren ihr euch entscheidet: Die besten Ergebnisse erzielt derjenige, der offen bleibt und bereit ist, zu lernen. Ein ständiger Austausch zwischen Technikern und Musikern und das Anpassen an die jeweiligen räumlichen Gegebenheiten bringen eure Musik optimal an die jeweils zwei Ohren eurer Fans.