Plug-In Izotope VocalSynth 2
Die Musik von Kanye West kann man mögen, muss man aber nicht. Besonders die extrem effektierten, Tonhöhen-quantisierten Vocal-Arrangements quittiert mancher mit gequältem Blick und fragt sich dabei: „Muss man da überhaupt noch singen können?“ – „Es hilft schon“, lautet die Antwort der Fachleute, aber Plug-Ins wie der Izotope VocalSynth 2 helfen doch beachtlich.

Der Izotope VocalSynth 2 ist ein Plug-In, das auf die Gesangsbearbeitung spezialisiert ist. Es handelt sich um einen modular aufgebauten Multieffekt mit – je nach Zählweise – 15 simultanen Effekten, deren Reihenfolge im Signalfluss teils vom Anwender definierbar ist. Viele moderne Produktionen setzen im Vers auf schlichte Gesangssounds, bei denen Effekte oft gar nicht auffallen. Im Hip-Hop wird hier gerappt. Im Refrain aber, typischerweise im R&B-Genre darf es lyrisch und ziemlich artifiziell klingen, und da wird bei den Effekten aus dem Vollen geschöpft.
Izotope VocalSynth 2 - Effekte statt Korrekturen
Der VocalSynth 2 verfügt zwar über einen Tonhöhen-Korrektur-Algorithmus, ist aber kein Tool zum Putzen der Details Silbe für Silbe. Was man etwa in Melodyne oder im Logic Pro mit Flexy Pitch an jeder einzelnen Silbe korrigieren mag – Tonhöhenverlauf, Vibrato-Intensität, Tonhöhenkorrektur – wird man weiter dort offline, Silbe für Silbe putzen. Dabei hat man die Chance, sehr unauffällig zu arbeiten. Der VocalSynth 2 ist mehr Effekt, er dichtet zusätzliche Harmonien hinzu, daneben:
- Vocoder- und Talkbox-Effekte
- diverse Transformationen
- Stutter
- Chorus- und Delay-Effekte
Und zwar, um den Unterschied ganz klar zu betonen, wie ein Effektprozessor, also eben in Echtzeit. Der Name VocalSynth 2 verspricht Synthetisches und löst dieses Versprechen auch ein. Wer große Transformationen erwartet, die ganz unhörbar, unmerklich und unprätentiös daher kommen, wird enttäuscht. Dafür gibt es mit Izotope Nectar 2 jedoch eine Lösung aus demselben Hause. Die Stärken des VocalSynth 2 Plug-Ins liegen dort, wo Verfremdungen mit dem digitalen Vocoder erlaubt, erwünscht, hörbar und imposant erscheinen dürfen. Wer das Künstliche zu schätzen weiß, wird begeistert sein.
Die fünf Module des Plug-Ins
Das Bedienungs-Interface des Izotope Prozessors ist besonders übersichtlich gestaltet. Eingangs in der Mitte links wählt man das Vokal-Register, also ob der Prozess sich auf tiefe, mittlere oder hohe Gesangslagen einstellen soll. Voicing bestimmt dann die drei Harmonien, die der VocalSynth 2 im Auto-Modus zur Originalstimme hinzusingen möge. Zwischen einer Oktave drunter und drüber ist chromatisch jedes Intervall und Tonleiter-eigen jede der elf Noten der Skala erreichbar.
Wenn immer alles genau Leiter-eigen vonstatten gehen soll, muss man jeden Tonartwechsel im Song automatisieren. Oft wird man Einstellungen mit verstimmtem Unisono, Oktavierung nach unten und / oder oben und parallele Quinten wählen. Sie klingen immer unkritisch und harmonisch. Diese Harmonien werden nun von einem dieser Prozesse gesungen, die man im oberen Drittel des GUI findet:
- Biovox
- Vocoder
- Compuvox
- Talkbox
- Polyvox

Den Anspruch, wie ein echter Mensch zu klingen, hat nur Polyvox. Jedes dieser Module erscheint als Anemone (wahlweise auch als Wasserfalldiagramm) in Fenstermitte und ist schön animiert. Die Anfasser an der Anemone erlauben die optisch animierte Mischung der Pegelverhältnisse. Diese Module können zudem schön im Panorama verteilt werden. Ganz rechts in der Mitte regelt man für das Mischsignal ein Gate sowie Panorama und Width.
Die fünf Module oben besitzen mehr Parameter als die je drei oder vier unmittelbar im Zugriff befindlichen. Mit Klick auf das Schiebereglersymbol des Plug-Ins öffnen sich viele weitere Parameter. Dabei offenbart sich, dass Biovox, Vocoder, Compuvox und Talkbox verschiedene Spielarten digitaler Vocoder sind. Sie haben ganz unterschiedliche Grundcharakteristika, können aber auch sehr flexibel parametrisiert werden.
Polyvox erinnert eher an einen Intelligent Pitch Shifter dessen Stimmen nicht synthetisiert, sondern mit Elastic Audio umgerechnet werden. Der Volksmund gebraucht ein Warenzeichen von Eventide und spricht vom Harmonizer. Die Namen der Tongeneratoren der Plug-In Module sind treffend gewählt. Biovox lässt sich eindrucksvoll mehr oder weniger auf nasal oder nach bestimmten Vokalen hin verbiegen, oder mit dem Breath-Regler die Luft simulieren, die durch den glottischen Spalt (zwischen den Stimmlippen) schießt.
Übrigens: Wenn man nur Breath generiert, wird geflüstert, ähnlich wie Vocoder mit Weißem Rauschen als Quellsignal. Und ganz, ganz laut Flüstern ist eine Gesangstechnik, die wir vom Death Metal kennen. Und so klingt es dann auch. Der Izotope Vocoder klingt so wie er soll, wahlweise klassisch analog oder mehr digital, und gut parametrisiert. Compuvox ist noch künstlicher und zelebriert die Ästhetik billigen Samplings. Talkbox bringt die verzerrte Variante des Gitarrenamps ins Spiel, der über einen Sanitärschlauch in den Hals schallt.
Multieffekt von Zerrer bis Disco
Die untere Reihe der Plug-In Effekte erinnert an Boden-Effekt-Pedale und kann beliebig angeordnet werden. Distort und Filter erinnern an Verzerrer-Pedale. Transform hat klassische Mikrofon- und Mikrofon-Preamp-Sounds im Angebot, die auf verschiedene Weisen vintage klingen. Mit Shred gibt es einen Stutter-Effekt, der sorgfältig automatisiert sein will. Alleine dieser bietet unzählige Möglichkeiten, penetrante Werbespots mit fulminanten, nach unten oktavierten Sprecher-Stimmen zu produzieren. Die Rhythmen und verschiedenen Sequenzen des Stotterns imponieren mächtig. Der Effekt ist so subtil wie ein Lambo mit Klappenauspuff vor der Schickimicki-Disco-Meile. Chorus und Delay muss man nicht erklären. Der Ringmodulator ist ein traditioneller Audio-Prozess, der die Amplitude moduliert, aber nicht langsam, wie ein Tremolo-Effekt im alten Fender-Amp, sondern mit Audio-Frequenzen, sodass scheußliche Modulations-Artefakte wie im Mittelwellenradio entstehen. Dieses Übermaß an gut parametrisierten Effekten sorgt für breite, spacige, immer aber auch etwas künstliche Gesangs- und Chor-Sounds des Izotope VocalSynth 2.
Technische Daten: Izotope VocalSynth 2
Unterstützte Systeme:
- Mac: OS X 10.8.5 (Mountain Lion) - macOS 10.13 (High Sierra)
- Windows: Windows 7 - Windows 10 Grafikkarte muss Open GL 2.0 unterstützen
Plug-In-Formate:
- AudioUnits AAX (64-bit)
- AAX-AS (64-bit AudioSuite)
- RTAS (32-bit)
- DPM (32-bit AudioSuite)
- VST 2
- VST 3
Unterstützte DAWs:
- Logic Pro X
- Ableton Live 9-10
- Pro Tools 10-2018
- Cubase 9.5
- FL Studio 12
- Studio One 3
- Reason 10
- Reaper 5
- Bitwig Studio 2

Der VocalSynth 2 kennt drei Betriebsarten:
- Auto
- MIDI
- Sidechain
Im Auto-Modus folgt VocalSynth 2 der Stimme und spielt dabei die Synthie-Sounds in den Modulen. Bei einfachster Harmonik und wenn parallele Oktaven und Quinten funktionieren, wählt man Auto und ändert vielleicht mal die Tonart. Demgegenüber können im MIDI-Modus beliebige Töne mit den internen Synthis gespielt werden. Die Stimme gelangt in diesem Fall per Sidechain-Eingang in die Software-Instrument-Instanz des VocalSynth 2, mit der per MIDI beliebig spielbare „Chorstimmen“ entstehen. Beispielsweise kann eine Akkordspur mit gehaltenen Orgelakkorden des Lead Sheets durchgespielt werden.
Im Plug-In Modus Sidechain wird anstatt der internen Synthies das Audiosignal einer anderen Spur als Trägersignal verwendet, wie beim typischen Vocoder. Das Resultat hängt von der Qualität des Audiosignals ab. Bereits ein Chorus-Effekt auf dem Audio-Signal kann zu chaotischen Artefakten führen.
MIDI ist gewiss der stärkste Modus für die professionelle Musikproduktion, bei der aus einfachen Gesangsspuren an ausgewählten Stellen fulminante Hintergrund-Chöre generiert werden sollen. Sehr gut: Das Plug-In erklärt sehr genau, wie man das in Logic Pro alles richtig patcht. Auch die vielen Parameter werden online gut erklärt, wenn man mit der Maus darüber fährt.
Izotope VocalSynth 2: flexibel in allen Tonlagen
Die Klangqualität der Prozesse ist exzellent und über weite Bereiche der Parameter sehr gut nutzbar – auch in Echtzeit. Live-Singen und Keyboard-Spielen funktioniert. Und zwar in allen Tonlagen und mit einer ganz neuen Flexibilität, was etwa den Realismus des Atems anbelangt. Zugleich gibt es mit den verschiedenen Modulen ganz unterschiedliche Vocoder-Paradigmen, die Biovox und Talkbox ganz andere Charaktere verleihen als Compuvox oder Polyvox.
All das geschmackvoll einzustellen, pro Modul und im Ganzen abzuspeichern und natürlich als Plug-In zu automatisieren, fällt leicht und macht Spaß, denn das grafische GUI ist interaktiv, elegant und ausgereift. Man wird das Plug-In in vielen professionellen Produktionen zu hören bekommen.
VocalSynth 2 unterstützt Izotopes Inter-Plug-In-Kommunikation und ist im Visual Mixer und der Total Balance Control integriert. Wer also mehr von Izotope unter der DAW am Laufen hat, kommt voll auf seine Kosten. Als Vocoder-Fan bin ich vollumfänglich überzeugt. Kritik gibt es keine. Den Anwender erwarten fulminante Chor-Klangwelten. Allenfalls muss man vor falschen Erwartungen warnen: Das Plug-In dient nicht dazu, Fein-Tuning an realistischen Gesangsspuren vorzunehmen. Die Effekte zelebrieren eine Ästhetik des Künstlichen – das aber auf höchsten Niveau.
Das Plug-In im Überblick
Bewertung
- Klangeigenschaften und Bandbreite +
- Flexibilität +
- Integration +
- MIDI-Implementation +
- Exzellente Presets +
- wenig unprätentiöse, natürlich wirkende Effekte -
Vertrieb: Izotope
Tags: Hammond, Stagepiano