Story: Peter Tägtgren
Peter Tägtgren, Produzenten- und Metal-Ikone, der vielen durch seine Death-Metal-Band Hypocrisy bekannt sein dürfte, meldet sich zurück. Mit seiner Band "Pain" veröffentlichte er jetzt das Album "Coming Home". Wir trafen den legendären Sänger, Gitarristen und Betreiber des Abyss-Studios im schwedischen Pärlby.

Zu Beginn der 2000er-Jahre gab es kaum eine heftige Metal-Band, die sich ihren Sound nicht gerne von Peter Tägtgren in seinem berühmten Abyss-Studio hätte zaubern lassen wollen. Von Immortal und Marduk über die damalige Chart-Überraschung Dimmu Borgir bis hin zu Children Of Bodom, Destruction und nicht zuletzt natürlich seiner eigenen Bands Hypocrisy und Pain, produzierte Tägtgren alles, was Rang, Namen und Lederkutte hatte.
Mittlerweile konzentriert sich der umtriebige Schwede wieder stärker auf seine eigene Musik. Letztes Jahr veröffentlichte er gemeinsam mit Rammstein-Frontmann Till Lindemann das Album "Skills in Pills", 2016 ist nun endlich das lange erwartete neue Pain-Werk "Coming Home" da. Wir trafen Peter Tägtgren in einem Münchner Hotel.
SOUNDCHECK: Peter, du hast deine Fans diesmal fünf Jahre warten lassen.
Peter Tägtgren: Naja, weißt du, mit dem letzten Pain-Album spielten wir über hundert Gigs, dann kam Hypocrisy mit etwa hundertfünfzig Shows, plus Promotion und dem ganzen Kram, der dazugehört. Als ich dann mit der Arbeit am neuen Pain-Album anfing, bekam ich einen Anruf von Till (Lindemann, Sänger von Rammstein und zusammen mit Peter im Projekt Lindemann aktiv – Anm. d. Red.), dann kam also erst dieses Projekt. Das hat wieder eineinhalb Jahre gedauert, dann nochmal ein halbes Jahr für die Promotion. Die Zeit verfliegt einfach. Ich habe sofort wieder angesetzt, als Till sich wieder um Rammstein kümmern musste. Vor Lindemann hatte ich ein paar Ideen beiseitegelegt für Pain. Ich habe von September bis April geschrieben wie ein Bekloppter. Und dann habe ich das neue Sabaton-Album aufgenommen – wieder zwei Monate.
Du hast schon deine verschiedenen Projekte erwähnt. Wo ziehst du die stilistische Grenze zwischen den Projekten?
Es gibt da ähnliche Elemente, wenn auch mit ganz verschiedenen Sängern. Das macht es allein schon etwas anders. Allgemein ist es aber so, dass man, wann immer ich etwas schreibe, vermutlich hören kann, dass es von mir stammt. Selbst wenn ich versuche, alles so unterschiedlich wie möglich zu machen. Für das neue Album wollte ich zum Beispiel möglichst unvorhersehbar sein. Ich wollte in jedem Song eine Überraschung für den Hörer haben, um alles etwas spannender zu gestalten. Auf lange Sicht ist es aber immer noch Party-Musik.
Das mit den Überraschungen ist dir gut gelungen. Schon der Opener ist doch sehr ungewöhnlich, es dauert ein paar Takte, bis man Pain erkennt.
(lacht) Ja, zu Anfang weißt du einfach nicht, wo es hingehen soll, aber wenn es dann losgeht, wird es richtig Punk-mäßig. es gibt keine Grenze, mit Pain kann ich machen, was auch immer ich will. Die Vocals halten es am Ende dann zusammen. Selbst wenn ich einen Samba-Song machen würde … Solange die Gitarren und die Vocals dabei sind, hört man Pain. Darum stört es mich nicht, ganz unterschiedliche Sachen auszuprobieren.

Produzierst du lieber deine eigene Musik oder andere Bands?
Es ist einfacher, andere Bands zu produzieren, weil sie mit den Songs und ihrem musikalischen Talent kommen und ich sie nur noch zur Höchstleistung anstacheln muss. Manchmal werde ich in die Strukturierung der Songs einbezogen. Ich mache dann Änderungsvorschläge, und danach die Mischung. Das ist viel einfacher. Wenn man alles selbst macht, muss man die Songs schreiben, aufnehmen, performen und mischen.
Fehlt dir da manchmal der Abstand zum Material?
Ja, absolut! Man ist so eingebunden, dass man es nicht mehr neutral betrachten kann. Darum ist es gut, wenn man sich viel Zeit nimmt. normalerweise schreibe ich einen Song und arbeite daran, bis ich ihn satt habe. Dann lege ich ihn beiseite und arbeite an etwas anderem. Am Ende kommt man dann zum ersten Song zurück und geht noch ein paar Mal drüber, macht die letzten Änderungen – so bekommt man etwas Abstand.
Hilft es dir, mehrere Projekte zu betreiben? Wenn du nicht mehr an Pain arbeiten kannst, machst du was für Hypocrisy?
Nein, eher nicht. Ich bevorzuge es, ein Produkt fertigzustellen. Entweder Pain oder Hypocrisy, wenn ich erstmal damit angefangen habe. Ich habe schon früh gelernt: Wenn du etwas anfängst, dann bring es zu Ende. So habe ich schon immer gearbeitet, so bin ich aufgewachsen. Alles nur halb zu erledigen und dann zum nächsten Punkt zu gehen – da kommt nur Mist raus.
Kannst du versuchen, den Job als Produzent zu definieren?
Ich denke, man wird zum zusätzlichen Bandmitglied. Man kommt mit frischen Ohren dazu und hilft der Band, den richtigen Weg einzuschlagen. Ich weiß, dass viele Produzenten nach dem Motto arbeiten: "Wir machen es auf meine Weise oder ihr könnt wieder verschwinden." So war ich nie. Ich will mit der Band arbeiten, nicht gegen sie und ich kann mich gut in die Bands hineinfühlen, weil ich oft genug in derselben Lage bin. Und weil ich selbst so viele verschiedene Instrumente spiele, kann ich ganz konkrete Vorschläge machen. Das ist ein großer Vorteil. Viele Produzenten spielen gar kein Instrument, sie haben einfach eine Vision vom fertigen Produkt. Der Job ist also von Person zu Person anders, man kann ihn nur schwer definieren
Kann man Produzent sein, ohne Musiker zu sein?
Ich denke schon, ja. Ich weiß von einigen Produzenten, die selbst keine Musiker sind. Die können vielleicht ein bisschen.
Wie beginnst du eine Produktion?
Lass uns das Drumset aufbauen und sehen, was wir daraus machen können. Jeder Schlagzeuger schlägt anders zu und du bekommst einen anderen Sound. Ich lege auch Wert darauf, dass jeder Drummer sein eigenes Kit mitbringt und nicht alle über mein Kit spielen. Am Anfang nutzt man noch gerne immer dasselbe Equipment, weil man weiß, wie es funktioniert und wie es klingt. Aber nach einer Weile kommt man davon ab. Man will andere Klänge erforschen. Ich höre immer wieder von Produzenten, die immer noch dieselben Trommeln verwenden, mit denen sie schon in den Neunzigern alles aufgenommen haben. Bitte Leute, nehmt mal was anderes! (lacht) Ich nehme an, dass manche Produzenten sich einfach nur so wohlfühlen. wenn sie etwa immer denselben Kick-trigger-Sound verwenden. Weil sie dann genau wissen, wie sie den Sound drumherum aufbauen müssen. Ich versuche lieber immer mal wieder was anderes. Oft kommt man dann vielleicht trotzdem bei einem ähnlichen Sound raus, aber ich brauche verschiedene Klangcharaktere in der Snare, in der Bassdrum. Es kommt auch immer auf die Musiker an.
Das ganze Interview mit der Metal-Ikone Peter Tägtgren gibt es hier.