Story: Hot Water Music
Auch nach fast 25 Jahren Bandbestehen strotzen Hot Water Music nur so vor Energie. Das liegt vor allem an Frontmann Chuck Ragan. Der Kerl ist eine Naturgewalt. Wir haben uns mit ihm getroffen, um über Gitarren, Amps, Essen und seine unverwechselbare Reibeisenstimme zu sprechen.

Soundcheck: Hi Chuck! Schön, dich zu treffen. Wie läuft die Tour?
Chuck Ragan: Vielen Dank, es läuft phantastisch. Das ist das erste Mal hier drüben, dass tatsächlich alle Shows ausverkauft sind. Und im Herbst kommen wir schon wieder zurück.
Ihr spielt diesmal nur einige wenige ausgewählte Shows. Das ist ein Luxus, den sich nicht alle Bands leisten können…
Ja, aber das müssen wir so machen. Wir sind alle unglaublich busy, unsere Terminpläne sind irre. Weißt du, ich habe einen kleinen Jungen zuhause. Abgesehen davon spielen wir noch in anderen Bands. George trommelt bei den Bouncing Souls, die sehr aktiv sind und ich bin als Solokünstler unterwegs. Aus gesundheitlichen Gründen ist Chris Wollard auf dieser Tour nicht mit dabei. Dafür springt Chris Cresswell von den Flatliners ein, die gleichzeitig noch unsere Vorband sind. Er schiebt also Doppelschichten. Das meistert er absolut großartig! Zuhause haben wir außerdem alle Jobs. Inzwischen sind wir in einem Alter, wo wir einfach nicht zwangsweise jeden Abend und überall auftreten wollen. Wir lieben es, zu spielen und eine gute Zeit zu haben. Aber wenn die Tour kurz und knackig ist, sind alle umso motivierter, freuen sich auf jeden Abend und es wird nicht so erschöpfend.
Apropos Alter, deine Gitarre hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel, oder?
Das kann man wohl sagen! Ich habe sie Dutchess getauft. Eine Les Paul Custom von 1976. Die habe ich 1995 bekommen und seitdem sehr viel daran herumbasteln lassen. Bis auf die Mechanik sind von den ursprünglichen Bauteilen nicht mehr viele in der Gitarre. Den oberen Humbucker habe ich herausgenommen, die Regler und den Toggle Switch habe ich dann auch nicht mehr gebraucht. Also habe ich ihn ausgebaut und die Löcher zugemacht. Jetzt ist die Gitarre ziemlich auf die Basics reduziert. Das Pickup hat mir ein guter Freund vor vielen Jahren eingesetzt. Ein Rio Grande Barbecue aus Texas. Das läuft immer noch und will einfach nicht kaputt gehen (lacht). Klopf auf Holz!

Wie sieht es mit deinem restlichen Equipment aus?
Eigentlich benutze ich kaum Effekte. Nur hier und da mal ein kleines bisschen. Bei Hot Water Music muss es hauptsächlich krachen (lacht). Ich mag Feedback, um den Sound etwas voller klingen zu lassen. Allerdings will ich es noch kontrollieren können. Was unsere Verstärker betrifft, spielen wir schon ziemlich lange über Orange-Amps. Ich finde, dass diese Rockerverb 100 MKIII einfach alles haben, was ich brauche. Früher war ich lange mit einem alten Hiwatt-Setup unterwegs.
Verwendet ihr die Verstärker auch im Studio?
Grundsätzlich haben wir immer eine ganze Menge an Topteilen und Boxen dabei und probieren dann herum, bis wir die ideale Mischung gefunden haben. Für "Light it U" haben wir einen Orange Rockerverb und Gosh-Amps benutzt. Letztere sitzen in Gainesville, Florida, wo wir auch herkommen. Insgesamt haben wir drei verschiedene Kombinationen von Tops und Boxen verwendet, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.
Auf euren ersten Alben ist ein deutlicher Einfluss von Bands wie Dag Nasty oder Fugazi erkennbar. Bei Caution, dem 2002er-Release, waren dann viele Singer-Songwriter-Elemente dabei. Auf eurem aktuellen Album Light it Up habt ihr all diese Elemente zu einem sehr stimmigen Gesamtbild vereint. Wie habt ihr das hinbekommen?
Ich denke, dass wir alle als Songwriter und auch als Individuen gereift sind. Hoffe ich zumindest! Wir erzählen einfach gerne Geschichten durch die Musik. Über die Zeit haben wir einen Weg gefunden, alle Inspirationen mit denen wir aufgewachsen sind zu nehmen und in unsere Lieder zu stecken. Diesmal haben wir die Platte auch gemeinsam selbst produziert. Unser Tontechniker Ryan
Williams hat ein tolles Studio in Gainesville, wo wir uns extrem wohl gefühlt haben. Ryan kennt uns und unseren Sound sehr gut und wir wussten genau, was wir wollten. Bei der Qualität der Aufnahmen sind wir ziemlich streng und ehrlich mit uns selbst. Wenn bestimmte Parts nicht so toll sind, dann diskutieren wir das untereinander.
In den letzten Jahren warst du auch sehr viel solo unterwegs. Wie weißt du beim Songwriting, ob du gerade einen Chuck-Ragan-Song schreibst, oder einen für Hot Water Music?
Eigentlich ist das für mich immer recht offensichtlich. Am Entstehungsprozess ändert sich da nicht wirklich etwas. Meistens setze ich mich einfach hin und was herauskommt, kommt eben heraus. Logischerweise wird das, was ich für Hot Water Music mache, immer etwas aggressiver sein, als das, was ich für mein Akustik-Zeug schreibe. Aber natürlich passiert es auch mal, dass ich einen Song eigentlich für mein Soloprojekt schreibe und mir dann im Nachhinein denke, dass es doch ein cooler Hot-Water-Song wäre oder umgekehrt.
Du hast eine extrem charakteristische und kraftvolle Stimme. Man könnte oft meinen, dass dein Hals jeden Moment explodiert.
Das tut er auch manchmal! (lacht)

Was tust du, um deine Stimme dauerhaft so beizubehalten?
Schlafen. Und keine Interviews geben! (lacht)
Das tut mir jetzt leid!
Nein, ehrlich. Sprechen ist einfach das absolut Schlimmste. Normalerweise sind es die Gespräche spätabends nach der Show, bei denen die Stimme am meisten Schaden nimmt. Wenn man vorher schon die ganze Zeit gesungen und herumgeschrieen hat. Alkohol trinken hilft auch nicht unbedingt (lacht). Über die Zeit fand ich heraus, wie viel Druck ich machen kann, bevor meine Stimme komplett nachgibt. Vor ein paar Jahren habe ich ein paar Methoden und Übungen zum Aufwärmen und wieder Abkühlen gelernt.
Und fast noch wichtiger: wie man einen geschwollenen Kehlkopf ordentlich auskuriert. Ich war bei einem Vocal-Coach namens Mark Baxter in Boston. Der hat ein Buch namens The Rock-N-Roll Singer's Survival Manual geschrieben. Davon habe ich wirklich viel gelernt. Aber ich mache immer noch viele Dinge falsch. Wenn ich mich zu sehr von meinen Emotionen hinreißen lasse, dann neige ich dazu, es ein wenig zu übertreiben und zu viel Stimme einzusetzen. Manchmal kann ich einfach nichts dagegen tun.
Hast du eine bestimmte Aufwärm-Routine?
Sollte ich eigentlich! Früher hatte ich tatsächlich mal eine. Allerdings halte ich mich inzwischen nur noch selten daran, wenn ich ehrlich bin. Frag mich nicht warum (lacht). Manchmal mache ich es, manchmal aber auch nicht. Cresswell hat eine Routine, die er jeden Abend vor der Show durchzieht. Der setzt sich Kopfhörer auf und verbringt dann etwa eine halbe Stunde mit Aufwärmübungen. Das ist recht inspirierend. Wahrscheinlich sollte ich da mal mitmachen.
Was hältst du persönlich von In-Ear-Monitoring?
Ganz ehrlich, ich stehe total drauf! Es ist einfach unglaublich. Allerdings hat es auch seine Nachteile. In gewisser Weise nimmt es etwas von der persönlichen Verbindung zum Publikum weg, weil man sich in einer Art Blase befindet. Auch wenn es sich natürlich perfekt anhört. Und meine Stimme funktioniert auch besser wenn ich In-Ears verwende. Wir haben das früher lange benutzt. In-Ears kommen einem hauptsächlich zugute, wenn man in Venues auftritt, wo der Sound nicht so toll ist oder auf Festivals, wo es einfach so viel Lärm gibt. Auf dieser Tour spielen wir nur in großartigen Locations mit tollen Soundsystemen. Und alle Menschen, mit denen wir bis jetzt zusammengearbeitet haben, waren extrem professionell und gut in dem, was sie tun. Deshalb brauche ich momentan keine In-Ears.
Im August kommt ihr noch mal nach Europa. Hast du schon Pläne für danach?
Ja, ich werde im Dezember zurückkommen um ein paar sehr intime Solo-Shows in ganz besonderen Locations wie zum Beispiel Kirchen zu spielen. Und dann feiern wir mit Hot Water Music im kommenden Jahr unser 25-jähriges Bestehen. Das muss man sich einmal vorstellen. Natürlich wird das gefeiert werden. Und danach will ich ein neues Soloalbum in Angriff nehmen.
Außerdem bist du neuerdings Soßen-Hersteller. Wie läuft es damit?
Oh, das läuft großartig. Es ist einfach eine gute Soße. Richtig scharfes Zeug! Die Firma nennt sich South Mouth. Aktuell haben wir zwei Geschmacksrichtungen, aber es gibt Pläne, das Sortiment zu erweitern. Ich würde sie auch gerne über den großen Teich bringen, damit die Leute hier nicht ständig so hohe Versandkosten zahlen müssen.
Wenn man sich dein Instagram-Profil ansieht, merkt man schnell, dass du ein leidenschaftlicher Angler bist und generell eine große Leidenschaft fürs Essen zu haben scheinst. Hast du schon mal darüber nachgedacht, ein Kochbuch zu veröffentlichen?
Haha, ja, damit habe ich sogar tatsächlich vor 15 Jahren oder so mal angefangen. Aber ich hab es nie fertig gemacht. Vielleicht passiert das eines Tages noch!

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Tags: Interview, Hot Water Music